MANFRED STELZER

Biografie

Kindheit / Jugend


Am 22. September 1944 in Göggingen (heute ein Stadtteil von Augsburg) geboren, wuchs Manfred Stelzer in Berchtesgaden auf. Seine Eltern führten dort ein Altenheim. Sein Vater Josef war verwundeter Kriegsheimkehrer aus Russland, seine Mutter Margaretha arbeitete als Bedienung. Nach einer Ausbildung zum Physiklaboranten bei den Farbwerken Hoechst 1963 bis 1966 zog es ihn nach West-Berlin, um dem Wehrdienst zu entgehen. Seine Eltern übernahmen ein Seniorenheim in Basel.

In West-Berlin


In Berlin tauchte Manfred Stelzer in die linke Studenten-Szene ein, wandte sich radikalen Aussteigern (im Georg-von-Rauch-Haus), Kiffern und Künstlern zu, nahm an Demos für einen Nulltarif im ÖPNV, gegen die Springer-Presse und vor allem gegen die alten Nazis teil. In einer Abendschule versuchte Manfred Stelzer, das Abitur nachzuholen, brach dies jedoch ab und verdiente sich seinen Lebensunterhalt in diversen Jobs.

Anfänge


1971, nachdem Manfred Stelzer und Rainer März zum ersten Mal von der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (DFFB) abgelehnt worden waren, gingen beide nach London, um bei der britischen Filmgruppe Cinema Action zu arbeiten. Er blieb ein Jahr, bewarb sich dann erneut an der DFFB und wurde angenommen.
Ebenfalls 1971 nahm Rainer März an der Besetzung des ehemaligen Schwesternwohnheimes am Mariannenplatz, das fortan Georg-von-Rauch-Haus hieß, in Berlin-Kreuzberg teil. Nach seiner Rückkehr aus London beschlossen beide, das Leben der Jugendlichen dort (viele von ihnen Trebegänger) zu begleiten. Später stieß Susanne Beyeler dazu. Selbst produziert und mit Hilfe von Spenden entstand «Allein machen sie dich ein«, betitelt nach einem Lied der Anarcho-Rockband Ton Steine Scherben. Der Film lief 1974 auf der Berlinale im Internationalen Forum des jungen Films.

Dokumentarfilm


Ab 1. September 1972 studierte Manfred Stelzer an der DFFB und drehte Dokumentarfilme in kollektiver Zusammenarbeit mit Mitstudierenden. Die zweite Arbeit mit Susanne Beyeler und Rainer März, »Kalldorf gegen Mannesmann« (1974), über einen Arbeitskampf, erhielt bei der Internationalen Filmwoche Mannheim 1974 einen Sonderpreis für den besten Fernsehfilm. Die Dokumentation »Eintracht Borbeck« (1976) über einen niedrigklassigen Fußballverein und sein Umfeld, ebenfalls eine DFFB-Produktion, wurde vom ZDF angekauft und 1978 in der Reihe Der Sport-Spiegel gesendet. »Monarch« (1979), gemeinsam mit seinem Studienfreund Johannes Flütsch realisiert, erhielt 1980 den Bundesfilmpreis. Manfred Stelzer kehrte nur noch einmal mit »Geschichten aus zwölf und einem Jahr« (1986) zum Dokumentarfilm zurück: Diese Wiederbegegnung mit einstigen Bewohnerinnen und Bewohnern des Rauch-Hauses wurde allerdings zum großen Teil inszeniert.

Spielfilme


1978 reiste Manfred Stelzer mit Rainer März in die USA, wo er Alisha Saltzman kennenlernte. Deren feministische New Yorker Comedytruppe MsFits tourte 1979 durch Deutschland und gastierte im legendären Berliner Kant-Kino. In seinem mit Verspätung gedrehtem DFFB-Abschlussfilm (und die zweite Co-Produktion mit dem WDR) »Perle der Karibik« (1981) über die gekaufte Heirat mit einer karibischen Frau, spielte Alisha Saltzman die weibliche Hauptrolle. Stilprägend für seine weitere Regie- und Drehbuch-Arbeit wurde »Schwarzfahrer« (1982), eine anarchistisch-skurrile Gaunerkomödie. In den Achtzigern entstanden bayerische Heimatfilmkomödien mit Irm Hermann, Elke Sommer, Monika Baumgartner, Hanns Zischler, Hans Brenner, Jörg Hube und Sigi Zimmerschied. Der 1990 auf einem stillgelegten Autobahnabschnitt bei Berlin gedrehte »Superstau« endete mit einem Zerwürfnis mit den Produzenten. Der fertige Film entsprach nicht den Vorstellungen des Regisseurs. Danach arbeitete Manfred Stelzer ausschließlich für das Fernsehen.

Fernsehen


Den TV-Produktionen konnte Manfred Stelzer ungewöhnlich häufig seinen Stempel aufdrücken, beteiligte sich an Drehbüchern und setzte seine Crewvorstellungen durch. In den neunziger Jahren entwickelte er für die Krimireihe »Polizeiruf 110« (dem ostdeutschen Pendant zum westdeutschen »Tatort«) das Ermittlerduo Groth und Hinrichs (mit Kurt Böwe und Uwe Steimle) – bewusst ohne klassischen Mord zu Beginn und mit Liebe und Achtung für die meist ländliche Bevölkerung im Umbruch der Systeme. Ab Mitte der neunziger Jahre erlangte die Fernsehserie »Balko« Kultstatus, mit fast anarchistischer Zuspitzung der Plots (Jochen Horst, bzw. Bruno Eyron und Ludger Pistor in Hauptrollen). Ab 2005 entwickelte er die Charaktere Thiel und Boerne (Axel Prahl und Jan Josef Liefers) im Münsteraner »Tatort« mit und erreichte teils mehr als zehn Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer pro Folge.

2000er Jahre


Bekannte Namen prägten die »Pommery & Putenbrust«-Reihe (ab 2002, Katharina Thalbach, Christine Schorn, Mareike Carrière, Armin Rohde, Pierre Besson, Eva Hassmann, Ingo Naujoks und Karl Kranzkowski) sowie die »Ein Schnitzel für alle«-Filmserie (ab 2008, Armin Rohde und Ludger Pistor in den Hauptrollen). Intensive Zusammenarbeit verband Manfred Stelzer ab 2005 auch mit Götz George, insbesondere bei dem Film »Meine fremde Tochter« (2008), mit dem damals noch weniger bekannten Alexander Scheer.

Ton Steine Scherben


Zu vielen von Manfred Stelzers Filmen komponierte der Ton-Steine-Scherben-Frontmann Rio Reiser die Filmmusik. Eine langdauernde Freundschaft aus den Georg-Rauch-Haus-Zeiten. Sein einziges Musikvideo drehte Manfred Stelzer für Rio Reisers Song » Manager«. Mit dessen Bruder Gert C. Möbius verband ihn bis zum Tod eine enge Freundschaft, gemeinsam schrieben sie die Drehbücher zu mehreren von Manfred Stelzers Filmen.

Auszeichnungen


Manfred Stelzer wirkte als Regiedozent an der DFFB. Zu seinem fünfzigsten Geburtstag widmeten ihm die Freunde der Deutschen Kinemathek e.V. im Berliner Kino Arsenal eine Retrospektive, begleitet von einem ihm gewidmetem Heft der Reihe Kinemathek (September 1994). 2020 wurde Manfred Stelzer Ehrenmitglied in der Münchener Valentin-Karlstadt-Gesellschaft; im Februar 2020 erhielt er von der Kölner Network Movie Film- und Fernsehproduktion eine Auszeichnung für sein Lebenswerk.

Krankheit


2015 erkrankte Manfred Stelzer an Krebs und erhielt aus versicherungstechnischen Gründen keine Regiearbeiten mehr. Dennoch arbeitete er weiter an Drehbüchern, entwickelte den Stoff für eine Filmbiografie über Rio Reiser. Desweiteren schrieb er mit Tilo Prückner Szenarios für die Kurzfilmreihe »Die Bank«, die er 2019 mit einem kleinem Team und Prückner sowie Karl Kranzkowski in den Hauptrollen inszenierte.

Privat


Seit 1984 lebte Manfred Stelzer mit der Berliner Ausstellungsmanagerin Beatrice E. Stammer, die er 1996 in Las Vegas heiratete. 1998 erwarben sie in den Bergen nahe Nizza ein Haus, das sie mit viel Liebe umbauten und das in der wenigen Zeit, in der er nicht drehte, zum ihrem gemeinsamen Rückzugsort avancierte.

Tod


Manfred Stelzer starb am 12. Mai 2020 in Berlin und fand seine letzte Ruhe auf dem Alten St.-Matthäus-Kirchhof in Berlin-Schöneberg, seinem Wunsch gemäß unweit des Grabs von Rio Reiser.